Andacht aus dem aktuellen Gemeindebrief

Liebe Gemeinde!


Mit Entsetzen stelle ich manchmal fest, was Menschen einander antun, nicht nur, wenn ich die Nachrichten schaue. Heute, als ich diese Zeilen schreibe, wird gerade die ForuM Studie veröffentlicht, in der die EKD sexualisierte Gewalt in evangelischen Einrichtungen untersuchen ließ. Wenn ich mir bewusstmache, wie viel Leid Menschen im Raum unserer Kirche angetan wurde, dann spüre ich Entsetzen, Wut, Trauer und Mitgefühl für die Betroffenen.


Und manchmal sind es auch alltägliche Begegnungen, die mich entsetzt zurücklassen, wenn Verletzungen sich in Wut und Hass verwandeln und schließlich kein gutes Haar mehr am anderen gelassen wird.
Und dann höre ich plötzlich:

 

Entsetzt euch nicht!

 

Doch wie könnte ich mich nicht entsetzen, nach allem, was geschehen ist? Wie könnte ich mich nicht aufregen, wütend sein und traurig? Doch da stehen sie, die Worte des Engels:

Entsetzt euch nicht!


Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten.

Ja, wir suchen ihn, den Gekreuzigten, auch heute noch, überall dort, wo Menschen Leid zugefügt wird: im Krieg, im Missbrauch, in der Schule, in der Familie, am Arbeitsplatz. Und doch spüren wir oft diese Leere: Wo bist du, Gott?

Er ist auferstanden, er ist nicht hier.

 

Das Leid hat seine Zeit, seinen Raum, seinen Platz. Es ist wichtig, es wahrzunehmen, ebenso wie die Gefühle, die damit verbunden sind. Der Gekreuzigte ist es, der uns in unserem Leid beistehen und uns begleiten will - durch das Leid hindurch. Doch dabei bleibt er nicht stehen. Er geht weiter, steht aus der Opferrolle auf und tritt ein in ein neues Leben. Er streckt uns die Hand entgegen - eine Einladung an uns, ihm zu folgen, frei zu werden von dem, was uns gefangen hält, um den Blick auf das zu richten, was sein könnte: Heilung alter Wunden, Frieden und auch die Veränderung von Strukturen, die das Leid überhaupt erst möglich gemacht haben. Und dann kann es plötzlich geschehen:
Auferstehung mitten am Tag.

 

Ihre Vertretungspfarrerin
Sonja Mitze

 

Gebet
Gott,
heile mich!
Verwandle meine Wut,
meinen Schmerz,
meine Verzweiflung in Segen.
Erfülle mich mit deiner Liebe und hilf mir, jetzt und hier aufzustehen in ein neues Leben.
Amen